1. Mai, „Zeit für mehr Solidarität“
Zugegeben: so viele wie in Havanna waren wir nicht, aber immerhin haben 5000 den Marienplatz gut gefüllt – in Zeiten, in denen Rattenfängerparolen zu verfangen scheinen, ein meinetwegen bescheidenes, aber doch gutes Zeichen.
Auch die LINKE war gut vertreten, einschließlich einiger Genossen aus Wasserburg und übernächtigter Anti-AfD-Demonstranten und –demonstrantinnen. Natürlich hätten es ein paar mehr echtrote Fahnen schon sein können, aber wir waren doch gut sichtbar.
OB Reiter (SPD) nahm sich die Klage des Haus- Grundbesitzervereins gegen den neuen Mietspiegel vor und versprach, „für eine sozial gerechte Bodennutzung [zu] kämpfen“ und „Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Beschäftigten in München leben können.“ Bleibt zu hoffen, dass den Worten auch Taten folgen.
Die Münchner DGB-Vorsitzende Simone Burger (SPD) kritisierte die ungerechte Vermögensverteilung in Deutschland. „Auch in Gedenken an den verstorbenen Alt-OB Kronawitter werden wir den Kampf um die Vermögenssteuer, für die er sich lange eingesetzt hat, fortführen.“
Einfach immer wieder erstaunlich, wie die SPD zu solch kämpferischen Worten findet und gleichzeitig ihre Verantwortung für Hartz-IV und die Deregulierung der Arbeitsverhältnisse, sprich die daraus resultierende Prekarisierung und Armutsgefährdung ausblenden kann.
Für Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, bedeutet Solidarität, gegen Ungerechtigkeiten anzugehen. „Altersarmut ist eine Ungerechtigkeit, die beseitigt werden muss. … Deshalb kämpfen wir gegen ein weiteres Absinken des gesetzlichen Rentenniveaus.“
Mutiger und weniger defensiv ist da der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske:„Bsirske fordert Rentenniveau von mindestens 50 Prozent“ meldet die SZ am 1. Mai. Richtig so, Kollege, wir sind dabei, fuck poverty.
Und apropos ver.di: Die Warnstreiks haben sich gelohnt. Der Kompromiss mit 4,75 % mehr in 2 Jahren für die über 2 Millionen Beschäftigen in Bund und Kommunen ist ordentlich, insbesondere auch, dass die Lohnerhöhung von € 35 und im Februar 2017 € 30 für Azubis etwas überproportional ausfällt. Nicht gut: die Jahressonderzahlungen werden nicht erhöht und ab 2017 sogar um 4% gekürzt. Ebenso wenig ließ sich das Ende der sachgrundlosen Befristung durchsetzen. Trotzdem: angesichts der Schwierigkeiten, bei auch im öffentlichen Dienst fortschreitender Auflösung gesicherter Arbeitsverhältnisse einen machtvollen Streik über mehr als 2 Wochen durchzuhalten, ist das Ergebnis zwar nicht aller, aber doch sehr vieler Ehren wert. Ich hätte daher statt der üblichen SPD-1.-Mai-Rhetorik auch lieber eine Kollegin oder einen Kollegen aus dem öffentlichen Dienst auf der Bühne gesehen und gehört mit Berichten von den Warnstreiks und den Arbeitsverhältnissen und –bedingungen im öffentlichen Dienst.
Und überhaupt, meine Damen und Herren Bühnenchoreographen: was tut denn Seppi Schmidt (CSU) auf der Bühne einer 1.-Mai-Kundgebung? Sollte/wollte er damit ausdrücken, dass er voll und ganz hinter Gewerkschaftsforderungen steht oder war er eher als Bühnendeko gedacht? Und wenn Bühnendeko: Welchen Begriff von Dekoration haben Sie denn in Ihrer Ausbildung gelernt?
Karl Ischinger