Nachdem zwei Gutachten verschiedene Ungereimtheiten im Verfahren zum neuen S-Bahn-Tunnel aufweisen und die Bayerische Landesregierung nicht gewillt ist, ihre Berechnungen transparent offenzulegen, hat die Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Sabine Leidig, Strafanzeige gestellt. Dazu in der heutigen Pressekonferenz:
Sabine Leidig, (MdB), verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN. im Bundestag:
„Das Projekt Zweite Stammstrecke muss in der geplanten Form sofort gestoppt werden, solange noch nicht zu viel Geld in den Bau geflossen ist. Die Pläne sind vor allem aus verkehrspolitischen Gründen abzulehnen: Wieder einmal geht es um ein unnützes Großprojekt – analog zu Stuttgart 21 und anderen – mit geringem verkehrlichen Nutzen, während bessere Alternativen wie der Ausbau des Südrings zu sehr viel geringeren Kosten umsetzbar wären. Da sich das Projekt nicht politisch stoppen lässt, habe ich die Strafanzeige eingereicht, um den Stopp juristisch zu erzwingen.“
Professor Dr. Marco Mansdörfer, Lehrstuhlinhaber der Universität des Saarlandes für Strafrecht einschließlich Wirtschaftsstrafrecht und Strafprozessrecht:
„Der nahezu unveränderte Nutzen/Kosten-Faktor (NKF) bei massiv gestiegenen Kosten ist nicht plausibel. Dieser Verdacht hat sich bei einer genaueren Analyse der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) 2016 nochmals erhärtet. Die Summe der Veränderungen der NKU 2016 lassen den Schluss auf vorsätzliche Manipulationen zu. Eine zufällige oder auch nur fahrlässige Aufsummierung scheidet nach kriminalistischer Erfahrungen und unserem allgemeinen Wissen über Subventionskriminalität praktisch aus. Gegen den Manipulationsverdacht spricht auch nicht, dass die NKU mit Behördenvertretern abgesprochen wurde. Auch solche Manipulationen sind bei Subventionskriminalität typisch. Die Besonderheiten bei öffentlichen Infrastrukturprojekten bestehen darin, dass hier nur ein sehr kleiner Expertenkreis tätig ist, sodass man sich scheinbar relativ sicher fühlt und die Manipulationen – wie z.B. an den gestrichenen Fahrkartenautomaten ersichtlich – recht dreist sind. Das alles ändert nichts daran, dass es sich unserer Einschätzung nach kriminologisch um massivste Wirtschaftskriminalität handelt. Ein Einschreiten der Staatsanwaltschaften ist auf diesem Feld längst überfällig. Es wäre wichtig, dass hier eine Signalwirkung in die Republik hinausgeht. Bei erfolgreichen Ermittlungen sind hier massive Freiheitsstrafen zu erwarten.“
Michael Jäger, Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler in Bayern:
„Es bestehen begründete Zweifel, dass der Nutzen-Kosten-Faktor richtig ermittelt wurde. Aus Sicht des Steuerzahlerbundes muss lückenlos geprüft werden, ob hier Steuergelder in Form von Fördermitteln verschwendet werden. Sollte die Prüfung dies bestätigen, müssen die Verantwortlichen hierfür zur Verantwortung gezogen werden.“
Dr. Walter Heldmann, 2. Vorsitzender von dem Verein der Bürgerinitiative Haidhausen S-Bahn-Ausbau, Auftraggeber des Gutachtens Vieregg-Rössle:
„Wir begrüßen, dass auf Grundlage unseres Gutachtens nun eine Strafanzeige gestellt wurde, um das Milliardengrab Tieftunnel doch noch zu stoppen. Außerordentlich ist das breite Spektrum der Gegner des Tieftunnels. Zwar versucht die Regierung, die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen zu stellen, indem sie den Spatenstich bereits pressewirksam vollzog: Da wir uns aber noch nicht im Bau selbst, sondern in den bauvorbereitenden Maßnahmen befinden, ist ein Stopp ohne Probleme möglich, angesichts der Gutachten und der Strafanzeige ist er sogar notwendig. Außerdem besteht noch kein Baurecht für den Planabschnitt Haidhausen.“
Ates Gürpinar, Landessprecher der LINKEN. Bayern und Kreissprecher der LINKEN. München:
DIE LINKE weiß um die Notwendigkeit eines intelligenten Ausbaus des Öffentlichen Nahverkehrs und kämpft seit Jahren darum. Der Tieftunnel ist allerdings das genaue Gegenteil intelligenter Verkehrsplanung. Er würde die Verdichtung weiter zementieren. Daher braucht es einen Ausbau des Ringes. Die Gelder, die sonst im Tieftunnel verschwinden würden, könnten hier in München, aber auch in Projekten anderer Städte Bayerns besser genutzt werden. Dann wird der Zentralisierungswahn, der München jeden Tag den Verkehrsinfarkt sterben lässt, langfristig korrigiert werden.