Der Abgang Brigitte Meiers
Kollateralschaden eines Machtgefüges
Seit Wochen wurde medial wirksam gegen Brigitte Meier getrommelt: Schlamperei, Inkompetenz, Versagen auf ganzer Linie. Möglich, dass es tatsächlich zu Versäumnissen gekommen ist, dies gänzlich abzustreiten wäre schwierig. Aber warum wird in der Berichterstattung souverän ausgeblendet, was die Wurzel des Elends in der Versorgung und Betreuung minderjähriger Flüchtlinge ist? Nämlich ein heilloser Wirrwarr von Zuständigkeiten auf Kommunal-, Landes- aber vor allem auf Bundesebene, fehlende Abstimmungen zwischen Bund und Kommunen, hektische, unausgegorene Gesetzesänderungen des Bundes, hyperkomplexe Abrechnungsverfahren, vom Bund veranlasste Fristenverkürzungen, die kaum einzuhalten waren, eine unübersichtliche Rechtslage, die so viel Interpretationsspielraum lässt, dass sich alle das jeweils Passende aussuchen konnten.
Mit viel Getöse wurden als entstandener Schaden für das Sozialreferat zunächst 178 Mio. € kolportiert. Diese Zahl machte erst mal Stimmung – ob sie durch eine rückwirkende Gesetzesänderung entstand, dass es wenig später 2 Mio., dann etwas über 1 Mio. waren und es mittlerweile gut möglich ist, dass es weniger als 1 Mio. sein werden, war dann nicht mehr entscheidend. Der „Skandal“ war da und passte vielen prima in Konzept. Zugegeben, auch weniger als 1 Mio. ist zu viel, aber in der Abwesenheit einer fundierten, klar und transparent transportierten Verfahrensgrundlage und in einer von legislativem Treibsand begleiteten Ausgangslage die Alleinschuld auf Frau Meier abzuwälzen, ihr so den schwarzen Peter zuzustecken ist unfair, ungerecht und hat einen strengen Hautgout.
Es sind vor allem externe Faktoren, die nicht nur in München voll auf die lokal Verantwortlichen durchschlagen: eine von vornherein mit „unzulänglich“ freundlich umschriebene Ausstattung der von Flüchtlingsversorgung betroffenen Kommunen und das totale Versagen der Berliner Koalition, die Zahl der zu erwartenden Flüchtlinge einigermaßen realistisch einzuschätzen – Stimmen, die auf eine hohe Zahl hinwiesen, gab es genügend. Aus diesem Versagen resultiert das nächste: die zu ergreifenden notwendigen logistischen und finanziellen Maßnahmen wurden weder rechtzeitig mit allen betroffenen Stellen erörtert noch ergriffen. Es gab kein Konzept, in das die Kommunen hätten einbezogen werden können.
Erklärte die CSU noch vor einigen Tagen, bei einem Schaden in niedriger Millionenhöhe könne sie Frau Meier (zähneknirschend) wählen, will sie plötzlich nichts mehr davon wissen, obwohl es bekannt ist, dass der Schaden unter die Millionengrenze sinken könnte. Schuld, so die CSU, sei der unbefriedigende Revisionsbericht. Ist der Revisionsbericht tatsächlich so unbefriedigend, dass er einen solchen Meinungsumschwung provozieren muss? Kaum. Mögliche, aber eben nicht alles entscheidende Details mögen einen Unsicherheitsfaktor darstellen, lassen aber keinen Schluss auf eine unlösbare Konstellation zu.
Wollte die CSU der SPD wieder mal eins auswischen nach dem Motto, das das Markenzeichen dieser GroKo ist: Gut ist, was der Koalitionspartnerin schadet? Sah die GroKo den Koalitionsfortbestand in sichererem Fahrwasser und damit den Machterhalt weniger gefährdet ohne Brigitte Meier? Wurde sie zum Verzicht ermutigt oder zumindest nicht ermutigt, sich der Wahl zu stellen? Egal: was bleibt ist die auf Dauer wirkende Beschädigung des Menschen und der Politikerin Brigitte Meier. Der Abgang dieser möglicherweise nicht perfekten Verwaltungsleiterin, aber klugen und mutigen Frau ist kein gutes Zeichen für die politische Kultur in unserer Stadt.
Brigitte Meier hat entscheidend zu einer Sozialpolitik beigetragen zum Wohle aller Schutzbedürftigen, egal ob Flüchtlinge oder Einheimische in Notlagen. Wo Freistaat und Bund versagten, haben sie, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer dafür gesorgt, dass München in der Welt bekannt wurde für Gastfreundschaft und Integrationswillen. Die Münchner Willkommenskultur ist eng verbunden mit ihrem Namen und ihrem Referat.
DIE LINKE. München dankt Brigitte Meier für ihren unermüdlichen Einsatz, der Münchner Stadtgesellschaft eine sozial gerechte, tolerante und offene Gegenwart und Zukunft zu ermöglichen.
DIE LINKE. München
Vorstand