Können Politiker nicht einfach mal ihre Klappe halten?
Aus der SZ vom 23.07.2016: „Der AfD-Chef in Sachsen-Anhalt André Poggenburg twitterte [kurz nach der Amok-Tat im OEZ]: ‚Merkel-Einheitspartei: danke für den Terror in Deutschland und Europa!‘ “
„Der sächsische CDU-Politiker Maximilian Krah, der sich nach eigenen Angaben in München aufhielt, schrieb bereits [Freitag] um 20:53: ‚Das muss der Wendepunkt sein: Die Willkommenskultur ist tödlich. Es geht um unser Land!“
Menschen sterben, werden schwer verletzt, Verwandte, Freunde trauern in einem für uns, die wir verschont geblieben sind, kaum vorstellbaren Schmerz und da fühlen sich diese Herren berufen, ihre Hetzparolen auszuposaunen, ihr politisches Süppchen auf dem Elend dieser schrecklichen Vorkommnisse zu kochen. Wie widerwärtig Politik sein kann, hier wird es demonstriert. Ich weiß nicht, ob die Herren Krah und Poggenburg als Biedermänner bezeichnet werden können, Brandstifter sind sie allemal, von der ekelerregendsten Sorte.
Wen wundert’s, wenn auch FPÖ-Hetzer Strache und Englands Politclown Boris Johnson ihren unreflektierten Müll ablassen. Können Politiker denn nicht, wie die SZ schreibt, einfach mal die Klappe halten?
Max Liebermann beim Betrachten des Fackelzugs zu Adolf Hitlers Machtübernahme am 30. Januar 1933: „Ick kann janich so viel fressen, wie ick kotzen möchte!“
Es ist jetzt an uns und an allen, denen humanistische Werte und Menschenwürde etwas bedeuten, angesichts der zu erwartenden xenophoben Hysterie unaufgeregt, aber eindeutig, auf Demonstrationen, im Alltag, auf der Straße, in der U-Bahn, in der Arbeit Farbe zu bekennen, dazu muss frau/man kein Held sein. Machen wir einfach klar: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vertiefen die Gräben in unserer Gesellschaft, vergiften sie und sind eine Bedrohung für die Demokratie und für unser Zusammenleben. In ihrer Rigorosität und in ihrem Hass auf alles, was anders ist, sind ihre Protagonisten seelenverwandt mit denen, die mit physischer Gewalt Terror verbreiten.
Flüchtlinge sind genau so wenig wie die Bayern oder die Schwaben die besseren Menschen. Idioten gibt es überall. So zu tun, als ob alles kein Problem wäre, verstellt den Weg zu Dialogen. Aber handeln wir im Alltag – ich mag das Wort gar nicht benutzen, weil es häufig so billig gehandelt wird – handeln wir s o l i d a r i s c h mit denen, die machtlos sind, die keine Lobby haben und an deren Notlagen – das sei immer wieder gesagt – die westliche Welt, wir, mit unserem Konsumverhalten, mit unserer Handels- und Wirtschaftspolitik die größte Schuld haben.
„Der Irak-Krieg 2003 sei der Beginn einer teuflischen Spirale gewesen. So kommentierte der chaldäisch-katholische Patriarch Louis Raphael I. am vergangenen Wochenende in Bagdad die Veröffentlichung des Chilcot-Berichts. … ‚Unser Land ist zerstört, 4 Millionen Iraker sind geflohen, Konflikte erschüttern Syrien und den Jemen. … Es gibt kaum Arbeit, die Wirtschaftssysteme ganzer Länder sind zusammengebrochen‘. Durch den Sturz der Regierung und die Auflösung staatlicher Institutionen im Irak sei ein Vakuum entstanden, das „Raum für die verheerende Ideologie der Gotteskrieger und des ‚Islamischen Staates‘ “ geschaffen habe.
https://www.jungewelt.de/2016/07-13/013.php?sstr=Hintergrund
Sagen wir nein zu denen, die uns einreden wollen, es gäbe Menschen mit Anrecht auf ein gutes Leben und solche, die kein Anrecht auf ein gutes Leben haben.
Karl Ischinger