1. Mai 2017 auf Mallorca – anderes Land, gleicher Kampf der Arbeiterklasse gegen Armut
Der 1. Mai 2017 auf Mallorca war zweigeteilt: Auf der einen Seite demonstrierten Mallorcas Großgewerkschaften CCOO und UGT mit ihren traditionell rot-weißen Bannern in der Hauptstadt Palma. Geschätzt nahmen mehrere tausend Menschen daran teil. Auf der anderen Seite die CNT (Gewerkschaft der Anarchosyndikalisten), sie hatte einen eigenen Demonstrationszug mit ca. 200 Teilnehmern.
Die Forderungen der Gewerkschaften klingen vertraut. Gerechtere Löhne, faire Arbeitsbedingungen, bezahlbarer Wohnraum, kein Sozialabbau, keine Kürzungen im Gesundheitswesen. Auf einem der großen Demo-Plakate stand geschrieben: „No hi ha excuses“ (keine Ausreden mehr).
Die Forderungen der CNT gehen in die gleiche Richtung, wenngleich auch wesentlich radikaler. Ihre Anklage gegen die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch die Kapitalisten und die Verwerfungen der Tourismusindustrie ist deutlich.
Einer der Slogans war dann auch: Tourists go home, Refugees welcome“. Die Flüchtlingsfrage wurde am 1. Mai von der CNT auch mehr in den Focus gestellt als bei den großen Gewerkschaften.
Fakt ist, dass auf Mallorca wie überall in Europa die Löhne sinken und Sozialleistungen gekürzt werden. Die Regierung verkündet, dass die Arbeitslosenquote gesunken ist und freut sich darüber. Aber genau wie in Deutschland, heisst das gar nichts. Mit Billig- oder Minijobs kann man hier wie dort die Statistik beschönigen, leben können die Menschen nicht davon. Die Folgen der Kürzungen im Gesundheitswesen kennen wir in Deutschland leider auch zu gut.
Einen Unterschied gibt es allerdings. Die Verwerfungen durch den Tourismus. Die Mietpreise sind explodiert und damit steigt der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Eine Mietwohnung in Palma ist inzwischen für den Normalverdiener unbezahlbar. Zwischen dem Innenstadtring und dem Meer sind die Preise innerhalb eines Jahres um 30 Prozent angestiegen. Die einheimische Bevölkerung kann das nicht bezahlen, außer sie bilden Wohngemeinschaften. Viele werden in die Vororte oder in Dörfer weiter außerhalb abgedrängt. Aber selbst dort gibt es kaum mehr Angebote. Der Mangel an Wohnraum ist in den Dörfern angelangt. Grund sind die Ferienhaus- oder Appartement-Vermietungen. Die Haus- und Eigentumswohnungsbesitzer haben längst festgestellt, dass man mit Vermietungen an Touristen das 3-oder 4fache verdienen kann, als mit einer normalen Vermietung an Einheimische.
Nach einer Studie für das Baudezernat halten über 30% der Vermarkter mehr als zehn Wohnungen im Angebot. 15 Firmen kontrollierten praktisch ein Zehntel aller Ferienwohnungen in der Stadt. In der Altstadt hätten sieben Anbieter 15 Prozent der Wohnungen im Angebot, im Trendviertel Santa Catallina halten vier Firmen elf Prozent.
Wohnraum, der für die einheimische Bevölkerung nicht mehr zur Verfügung steht. Und die Preise der noch freien Wohnungen nach oben treibt. Hinzu kommt im ganzen Land der Kauf von Fincas durch Ausländer. Ein Drittel der
Immobilien werden von ihnen aufgekauft, als Zweitwohnsitz. Die Balearen sind angesagt.
Der Tourismus spült Geld ins Land. Aber auch Wohnungslosigkeit, Billigjobs und Armut. Umweltzerstörung, kein freier Zugang zu den Stränden oder Parks inbegriffen.
Fast die Hälfte der Arbeiter*innen und Angestellten verdienen weniger als den Mindestlohn. Sie haben befristete Jobs, Zeitarbeitsverträge, schlecht bezahlte Saisonarbeit. Die UGT setzt auf Ausbau der Tourismusbranche, auf Stärkung der eigenen Wirtschaftszweige wie Forschung, Entwicklung und traditionelle Produktion.
Ohne konsequente Einforderung von Mindestlohn, Tarifverträgen und bezahlbarem Wohnraum bleibt das Makulatur. Ein Ausbau der Tourismusbranche ohne Regulierung, Naturschutz und Schutz von Wohnraum verschärft das Problem. Wie überall ist die Gewerkschaft ein zahnloser Tiger und dient dem Staat, der sie subventioniert.
Der Weg zu einem echten Klassenkampf ist hier wie überall in Europa noch weit.
Anmerkung:
Nach Ende des Franco-Regimes wurde die UGT 1977 wieder zugelassen und ist heute die mitgliederstärkste Gewerkschaft Spaniens vor den CC.OO – Comisiones Obreras und hat nach den CC. OO. die zweithöchste Zahl an Gewerkschaftsdelegierten. Sie feiert heute ihr 40. Jubiläum der Wiederzulassung.
Die CNT – Confederación Nacional del Trabajo (CNT) ist eine Konföderation anarchosyndikalistischer Gewerkschaften in Spanien. Sie unterscheiden sich von anderen spanischen Gewerkschaften durch ihre Weigerung, sich an den Wahlen zu den Betriebskommitees zu beteiligen, staatliche Subventionen in Anspruch zu nehmen und Funktionsträger von der Arbeit freistellen zu lassen. Stattdessen setzt sie auf gewerkschaftliche Basisaktivitäten in Betriebsgruppen. Ihre gewerkschaftlichen Aktivitäten entfaltet die CNT heute insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben.
Beate Jenkner
Bezirksrätin die LINKE