Hey, Jeremy, f*****g well done!
Unsere begeistertsten Glückwünsche aus München nach London bzw. Islington, wo Jeremy Corbyn seinen Parlamentssitz mit 73 % (+ 12,7%) verteidigte.
Die mächtigen Zugewinne der Labour Party zeigen eine Tendenz, die schon in der Kampagne Bernie Sanders‘ zu beobachten war: soziale Gerechtigkeit, gleiche Chancen für alle, partizipatorische Demokratie, Frieden sind die Themen, mit denen Menschen zu begeistern sind. Und es waren die jungen Menschen, die Sanders‘ Kampagne trugen, es waren die jungen Menschen, die durch ihr Wahlkampfengagement für Corbyn und ihr Wahlverhalten für den Erfolg dessen linker Politik sorgten.
Vergesellschaftung der Eisenbahnen, der Post, der Elektrizitätswerke, Milliardeninvestitionen in Schulen, Kindergärten, Sozial- und Pflegesysteme, kostenlose Schulverpflegung, Rentenerhöhungen, Abschaffung der Studiengebühren – finanziert über Erhöhung der Unternehmenssteuern und einer Vermögenssteuer: von den britischen (und auch den deutschen) Medien als steinzeitsozialistische Fantastereien eines altlinken Zausels des 19. Jahrhunderts lächerlich gemacht. All die Hetze hat aber nichts geholfen, denn dies waren genau die Forderungen, die den Menschen Hoffnung und Mut machten, die ihre alltäglichen Erfahrungen, ihren Verdruss mit dem Bestehenden und ihren Willen zur Veränderung widerspiegelten. Der Rückhalt, den dieses Programm erfuhr, zeigte: die Menschen wollen mehr Gerechtigkeit, mehr (Chancen)Gleichheit, sie haben genug von der Umverteilung von unten nach oben. Und auch wenn es nicht ganz gereicht hat für Corbyn und Labour: ein riesiges Hoffnungszeichen ist diese Wahl allemal und zwar für uns alle.
Aus Corbyns Rede nach seinem Wahlerfolg in Islington:
„Was hier geschehen ist, war einfach, dass die Leute gesagt haben: wir haben genug von Austeritätpolitik, genug von Kürzungen der öffentlichen Ausgaben, der Unterfinanzierung des Gesundheitswesens, der Unterfinanzierung unserer Schulen und unserer Erziehungsdienste und genug davon, dass unseren jungen Menschen nicht die Chancen in unserer Gesellschaft gegeben wird, die sie verdienen. Und ich bin sehr, sehr stolz auf die Kampagne, die meine Partei gefahren hat, auf unser Manifest „Für die Vielen, nicht die Wenigen“. Und ich bin sehr stolz auf die Ergebnisse, die jetzt aus allen Teilen des Landes eintreffen, von Menschen, die der Hoffnung ihre Stimme gegeben haben, der Hoffnung für eine besser Zukunft, die der Austeritätspolitik den Rücken zugewandt haben.“
Also, Herr Schulz, wie sieht’s aus? Irgendwie irgendetwas etwas gecheckt? Z.B., wie die SPD eventuell mal aus Ihrer Oberkellnerinnenfunktion rauskommen könnte und etwas zu einem tatsächlichen Politikwechsel in Richtung soziale Gerechtigkeit, Frieden, Demokratie beitragen könnte? Na ja, wahrscheinlich eher nicht. Lieber weiter machen wie bisher, vielleicht mit den (Neo)Liberalen, ist ja mittlerweile nahezu Ihre Bruderpartei. Und wenn das nicht reicht vielleicht noch die allseits gefälligen Grünen dazu und wenn’s dann immer noch nicht reicht, dann halt noch mal Oberkellnerin. Ist eh schon egal. Aber vielleicht unterhalten Sie sich doch mal mit Jeremy Corbyn und Bernie Sanders. Sozialdemokratie: da war doch mal was mit Freiheit, Gleichheit, Brüder und Schwestern zur Sonne, zur Freiheit Schon vergessen?
Wen’s interessiert:
1. https://www.youtube.com/watch?v=CTLklpkaAVo
Ein schöner Wahlwerbespot der Labor Party
2. https://www.youtube.com/watch?v=p-hG53IhlME
Corbyns Abschlusskundgebung in Islington, die sehr gut die unmittelbar spürbare Authentizität und Direktheit Corbyns vermittelt (v.a. ab 44:00 – auch wenn die Tonqualität sehr schlecht ist und man nicht allzu viel versteht). Das Gedicht Percy Shelleys, das er zitiert, geht so::
Rise like lions after slumber
In unvanquishable number-
Shake your chains to earth like
dew
Which in sleep had fallen on you
Ye are many-they are few.”
Wunderbar, wie die Zuhörer die letzte Zeile mitdeklamieren.
Übrigens auch beeindruckend die Genossin im roten Jackett am Anfang.
Karl Ischinger
09.06.2017