
Ein Bericht von Jana Kral, DIE LINKE. München
Als letzte Woche bekannt wurde, dass mehrere tausend Geflüchtete über Budapest München erreichen würden, bildete sich ein großes Netzwerk aus Bürgerinnen und Bürgern, Linken oder Punks, welche die Menschen empfangen wollten. Sie sammelten Spenden wie Kleidung, Hygieneartikel oder Essen und Trinken um diese an die erschöpften Refugees zu verschenken. Mit einer bemerkenswerten Ausdauer leisteten sie über viele Stunden Hilfe bei der Erstversorgung.
Ein solches Bild hatte München selten gesehen und es hat sicher eine äußerst positive Außenwirkung. So schön diese Schlagzeilen auch gewesen sind, möchte ich doch auch ein paar eigene Eindrücke nennen, welche nicht unbedingt in diesen scheinbaren Zauber passen.
In diesem Helfer*innenkreis gab es zum Beispiel ein paar wenige, welche den Ton angeben wollten (Funktionärinnen Bündnis 90/Grünen). Mitte der Woche wurde ein allgemeiner Spendenstopp ausgerufen, mit der Begründung: „Es (wäre) alles vorhanden“. Ich half zu diesem Zeitpunkt am sog. Mutter-Kind Stand und hatte ein anderes Bild von der Situation. Wir verteilten an diesem Stand vor allem Hygieneprodukte und Babyzubehör wie Trinkflaschen etc.
Produkte wie Deo’s waren sehr gefragt und ebenso schnell vergriffen. Wir fragten bei den selbsternannten Tonangeberinnen nach, ob wir einen Spendenaufruf starten könnten, um den Refugees weiterhin Deo’s anbieten zu können, die seit Tagen, Wochen oder Monaten kein fließendes Wasser hatten, um sich waschen zu können. Die Antwort schockierte den Mutter-Kind Stand. Diese war in etwa: „Die haben das schon einen Monat ohne ausgehalten, dann halten sie es auch noch einen Tage ohne aus.“ Es folgte keine weitere Begründung, so dass wir gezwungen waren, solche Spenden heimlich in den abgesperrten Bereich bringen zu lassen. Dies ist in meinen Augen eine große (unnötige) Unverschämtheit. Ähnliches passierte uns mit Babyflaschen. Ich muss es glaub ich nicht erklären, aber Frauen, welche seit Tagen weder getrunken noch gegessen hatten, können nicht (ausreichend) stillen, was das Leben des Babys massiv bedroht. Wir verteilten speziell aufbereitetes Wasser, sowie Milchpulver. Doch um damit ein Kind zu füttern benötigen die Mütter oder Väter eine Flasche. Genau diese sind uns ausgegangen und unsere Bitte um Nachschub wurde ähnlich abgeschmettert wie die oben genannte (diesmal ohne Begründung). Wieder wurden Freunde angerufen, mit der Bitte diese Flaschen zu besorgen und diskret in den Bereich zu bringen. Wo war hier die humanitäre Leistung, von der ständig gesprochen wurde, wo war die finanzielle Unterstützung der Stadt München?!? Mein Eindruck war eher der, dass einige Personen, die schreckliche Situation der Geflüchteten ausgenutzt haben um sich selbst (medial) in Szene zu setzen.
Weiterhin genoss auch die Polizei ein gutes, medial aufpoliertes, Image. Von einer guten Kooperation mit den Helfenden wurde gesprochen, die auch meistens vorhanden war. Allerdings nur dann, wenn nach den Regeln der Polizist*innen gespielt wurde.
Es ist mir nicht verständlich, warum es einen großen knurrenden Polizeihund am Eingang zum Bereich der Registrierung benötigt. In jedem Zug waren einige Kinder, die im Zweifel schon aggressive Polizist*innen in Ungarn miterlebt hatten, die durch die Präsenz dieses Hundes massiv eingeschüchtert wurden. Zum anderen ist die vorab – Kriminalisierung von Refugees nicht hinnehmbar oder begründbar! Auch der Helfer*innenkreis hat Probleme bzw. verbale Auseinandersetzungen gehabt. So wollten wir z.B. Plakate mit politischen Inhalten (zB.: Stoppt die Abschottung Europas) an die Absperrungen heften, doch die Polizei gewährte dies nicht und kündigte an: „Wenn ihr nicht kooperiert, können wir das ganze hier auch beenden.“ Dabei wären ein paar politische Aussagen wichtig gewesen, um deutlich zu machen, dass gerade die Bundesrepublik mitverantwortlich für Kriege und die somit steigenden Flüchtlingszahlen ist (Waffenexporte, Wirtschaftsinteressen uvm.). Auch wir als Linke hätten diese Situation mehr nutzen müssen um politischen Druck auszuüben oder aber auch um zu protestieren, dass nur ein Bruchteil der Geflüchteten eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten werden. Doch München war abgelenkt, oder hat sich ablenken lassen, von der tollen humanitären Unterstützung durch die Bürgerinnen und Bürger (die ja wirklich hervorragende Arbeit geleistet haben und immer noch leisten).
Leider verhielt sich auch ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn (DB) mehr als daneben, wie ich erfuhr, als ein Geflüchteter mich nach einer Zugverbindung fragte. Ich versuchte den Zug ausfindig zu machen, leider war meine Internetgeschwindigkeit zu langsam, weswegen dies nicht funktionierte. Also schlug ich vor, einen Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin der DB ausfindig zu machen um dort nachzufragen. Er wehrte ab und sagte auf Englisch: „Als ich einen Mitarbeiter vorhin gefragt habe, sagte er zu mir, dass er mir die Verbindung erst nennen wird, wenn ich Deutsch spreche.“ Er wollte mir diesen Mitarbeiter aus Angst nicht zeigen und als ich die DB über das Internet auf diesen Vorfall ansprach, reagierten diese sehr zurückhaltend. Dass Geflüchtete bei simplen Fragen auf solch rassistischen Widerstand stoßen, muss meiner Meinung nach Konsequenzen haben und darf nicht geduldet werden.
Weiterhin wäre essentiell gewesen, günstige Telefonverbindungen zu schaffen, um den Refugees ein Telefonat in ihre Heimat zu ermöglichen. Immerhin wurden Simkarten verteilt mit einem Guthaben von 2,50 Euro (was lächerlich wenig ist). Leider mussten diese im Internet registriert werden, was in den ersten Tagen nicht möglich war, da es keinen W-Lan Anschluss gab. Oft kamen Männer und Frauen auf mich zu und baten mich um Rat bzw. um Hilfe. Natürlich stellte ich mein Telefon zur Verfügung, als ein Iraker mir erzählte, dass der Islamische Staat letzte Nacht sein Dorf angegriffen hatte und er gerne zuhause anrufen möchte, um zu erfahren, ob seine Familie noch am Leben ist. Die Stadt München hat ausreichend Kapital um für solche Telefonate aufzukommen, das sollten nicht die Ehrenamtlichen finanzieren müssen.
Zum Schluss möchte ich aber noch einmal die großartige Arbeit der Helfenden betonen ohne die die Bedingungen für die Ankommenden sicher nicht halb so gut gewesen wären. Ich appelliere an jeden/jede einzelne/-n sich weiterhin zu engagieren und uns auch im Kampf gegen rechte Hetze zu unterstützen. Es ist kein Geheimnis, dass die Gegenproteste bei Veranstaltungen von PEGIDA und Co. immer kleiner werden. München hat in den letzten Tagen bewiesen, dass wir sehr viele hilfsbereite Mitmenschen haben und wir müssen den sog. Wutbürger*innen, Asylkritiker*innen und Neonazis klarmachen, dass ihre Hassbotschaften in München, in Bayern und in der gesamten Republik nicht toleriert werden. Um die Geflüchteten nicht ins offene Messer laufen zu lassen, muss es die Kernaufgabe der LINKEN sein, auf die jeweiligen Landesregierungen einzuwirken mit den Bürgerinnen und Bürgern der Kommunen in einen offenen und ehrlichen Dialog zu gehen, um Fragen und Probleme zu lösen. Dies würde Ängste und Zweifel nehmen und vor allem die Integration und das Leben der Geflüchteten verbessern.
Infoseite: Wie Flüchtlingen in München helfen?
Broschüre der Bundestagsfraktion: „Flüchtlinge willkommen heißen – Vorurteilen entgegentreten!“
Broschüre der Rosa-Luxemburg-Stiftung: „Refugees Welcome?“
Kommunalprogramm DIE LINKE München „München ist bunt“
Dossier zum Thema: http://www.die-linke.de/politik/fluechtlinge-willkommen/
Downloads zum Thema: http://www.die-linke.de/politik/fluechtlinge-willkommen/downloads/