Der Münchner Stadtrat im Herbst:
Flüchtlinge, Schulbauoffensive und immer wieder – Wohnen
Aus der Fülle von Sitzungen der insgesamt 16 Fachausschüsse und den – bis zur Weihnachtspause – vier Vollversammlungen des Stadtrats das Wichtigste auszuwählen, ist gar nicht einfach. Allein die Plenumssitzungen „behandelten“ – über vieles wird nur in den Ausschüssen debattiert und beschlossen – rund 350 Tagesordnungspunkte, manche Punkte gehen ohne Gegenstimmen „durch“, einiges wird „aufgerufen“ und mehr oder weniger ausführlich diskutiert. Also bitte um Nachsicht, wenn im Folgenden des einen oder der anderen Lieblingsthema hier keine Erwähnung findet – vieles ist einfach unstrittig, kostet aber viel Geld: wie z.B. neue Kitas und Schulen, bessere Sportplätze und mehr Schwimmunterricht.
Die Geflüchteten:
Das Thema Flüchtlinge ist für uns alle wirklich bedeutsam, ihre Unterbringung, Versorgung und schließlich Aufnahme in Kindergärten, den neuen Übergangsklassen in den Grund- und in den Berufsschulen. Nach der Phase der ebenso stürmischen wie herzlichen Aufnahme Tausender von Geflüchteten vor allem im vergangenen Jahr, folgten jetzt die „Mühen der Ebene“, einschließlich der zum Skandal aufgeblasenen Versäumnisse bei der Abrechnung der Kosten für Tausende von unbegleiteten jugendlichen Geflüchteten, für die München die erste Anlaufstation nach oft vielwöchiger Flucht war. Da schaltete sich – auf Geheiß der Bundesregierung – ein Bundesverwaltungsamt ein und wollte jeden Beleg „vorprüfen“; das BAMF (Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge) hatte seine eigenen Prozeduren; auf Landesebene wurden Kostenträger festgelegt, nicht nur etwa durch die Regierung von Oberbayern; insgesamt 23 (!) verschiedene Träger waren zu identifizieren und mit Formularen zu beglücken – für jeden einzelnen Jugendlichen! Noch bis in die Dezembervollversammlung verfolgte dieses Thema Verwaltung und Stadtrat, schließlich konnte die Summe der offenen Posten von erstmal 248 Mio. Euro – die Zahlen sind naturgemäß im Fluss – auf wenige Millionen reduziert werden. Für alle noch ausstehenden Fälle – einige Kostenträger hatten noch nicht ihre Bereitschaft erklärt, auf die Einrede der Verjährung zum 31. Dez. zu verzichten – wurde durch einen juristischen Kniff auch diese Klippe umschifft: der Stadtrat stimmte einer Klageerhebung zu.
Die Flüchtlingsprobleme hat die LINKE flankiert mit mehreren Anfragen und Anträgen: schon früh wurde zusammen mit den Grünen zu einer Solidaritätsaktion für das umkämpfte Kobane in Rojava/Nordsyrien aufgerufen, ebenso wie ganz aktuell zur Solidarität mit den verhafteten Bürgermeistern von Münchens Partnerstadt Mardin im kurdischen Teil der Türkei.
Die wichtigste Frage im Innern: der Protest gegen das bayerische Ausgrenzungsgesetz, dem sogenannten „Integrationsgesetz“ wurde durch eine Anfrage zu den möglichen Interventionsmöglichkeiten der Städte über den Bayerischen Städtetag unterstützt. Und in der Tat: das Schreiben des Oberbürgermeisters und die Stellungnahme des Bayerischen Städtetags griffen alle relevanten Probleme auf, staatstragend aber deutlich. Denn unter der Überschrift „Integration“ verbarg sich etwas ganz anderes, nämlich die gezielte Ausgrenzung und geplante Drangsalierung der Geflüchteten gesetzlich zu verfestigen. Und das Ganze noch „gekrönt“ vom sagenhaften – und eigentlich verfassungswidrigen – Postulat einer „Leitkultur“; das durfte nicht unhinterfragt bleiben.
Berufliche Bildung – auch für Geflüchtete:
Ein kleiner Erfolg war uns mit dem Antrag beschieden, den „BoKi“ – formal die Berufsschule zur Berufsvorbereitung – zum Kompetenz-Zentrum für die Beschulung von Flüchtlingen aufzuwerten. Ergebnis: nun gibt es sogar eine eigene Berufsschule für berufliche Integration, die frühere Filiale in der Balanstraße. Was dort fehlt – und in den anderen Schulen mit Übergangsklassen – sind vor allem ausreichend Verfügungsstunden für die Klassenleitungen: nur so können sich die Lehrer u.a. um Praktikumsplätze und deren Betreuung kümmern. Dies ist ein ganz zentraler Punkt, denn natürlich hat kaum einer der berufsschulpflichtigen Geflüchteten bereits einen Ausbildungsplatz – der Weg dorthin ist noch steinig und langwierig, ums so wichtiger ein vernünftiger Praktikumsplatz!
Der Sport – vor allem Schwimmen, auch für Mädchen:
Nicht nur für die jugendlichen Geflüchteten, sondern auch für alle anderen Kinder und Jugendlichen ist etwas früher völlig Selbstverständliches, heute aber eine erschreckend vernachlässigte Fähigkeit von Bedeutung, nämlich sicher Schwimmen zu können. Die DLRG (Deutsche Lebensrettungsgesellschaft) hatte auf unserem letzten Parteitag in Magdeburg einen Stand, an dem sie über die Gefahr der Schwimmbadschließungen und der geringer werdenden Schwimmkenntnisse bei Jugendlichen aufklärte, ersichtlich an der Zunahme tödlicher Badeunfälle. Unsere Anfrage und unser Antrag dazu – Ausbau der Schulschwimmhallen, Öffnung für den Vereinsbetrieb und besondere Förderung von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund beim Schwimmunterricht – fand in vielen Punkten Eingang in die große Vorlage „Schwimm-Offensive“ im Dezember. Leider hat diese Schwimmoffensive einen Schönheitsfehler: Schwimmunterricht an den (staatlichen) Grund- und Mittelschulen ist eine Pflichtaufgabe des Freistaats – und weil der einfach nichts tut, kann die Stadt nun nur auf flankierende Schwimmkurse durch Vereine und Schwimmschulen setzen und diese subventionieren.!
Bildung und Schulbau:
Der größte Investitionsbrocken in diesem und in den nächsten Jahren ist die Schulbau-Offensive; es vergeht kein Ausschuss (für Sport und Bildung), in dem das RBS (Referat für Bildung und Sport) nicht entweder einen Masterplan für die gesamten Bauvorhaben der nächsten Zeit, den Plan zum Bau einer konkreten Schule – oftmals verbunden mit nachbarschaftlichen Bedenken – die Sanierung oder Erweiterung eines Gebäudes oder die Projektierung eines neuen Vorhabens vorlegt. Erstaunlich ist dann oft nur, dass die CSU zwar den Investitionen, also den baulichen Hüllen, nicht aber den sogenannten „konsumtiven“ Ausgabenmehrungen – etwa für mehr ErzieherInnen oder LehrerInnen – zustimmen möchte! Für insgesamt 38 Schulen wurde so ein Finanzvolumen von 1,5 Mrd. Euro bewilligt. Davon im Oktober vor allem die Kosten für die Planung des neuen Bildungscampus Freiham, dem mit 241 Mio. Euro größten Münchner Schulprojekt.
Das Wohnungsdesaster:
Ein weiterer Dauerbrenner ist natürlich das Thema Wohnen. Auch hier wurde im Herbst eine Art „Masterplan“ verabschiedet: das „Handlungskonzept Wohnen in München VI“, im Behördendeutsch schlicht WiM VI. Die Novembervollversammlung bewilligte für die Jahre 2017 bis 2021 insgesamt 870 Mio. Euro, um ein auch für „Normalis“ bezahlbares Wohnen wenigstens ansatzweise zu ermöglichen. Die LINKE hat sich dabei immer für höhere Quoten an sozial gebundenen oder kommunal errichteten Wohnungen eingesetzt, ebenso wie für eine Bevorzugung von Genossenschaften und Baugemeinschaften. Den Begriff „Konzeptioneller Mietwohnungsbau“ sollte man sich in der Fülle der Maßnahmen merken: auch wenn ein privater Investor bauen will, den Zuschlag bekommt nur, wer auch die vorher definierten – insbesondere sozialen – Kriterien („Konzeption“) erfüllt. So sollen nun jährlich 8.500 (bisher 7.000) Wohnungen fertiggestellt werden, im geförderten Wohnungsbau wurden die Ziele von 1.800 auf 2.000 Wohnungen heraufgesetzt. Was bleibt, ist natürlich die Frage – die so aber nirgendwo gestellt werden darf – wozu brauchen wir den „freifinanzierten“ Wohnungsbau eigentlich? Brauchen wir Mieten von kalt 18 Euro/qm; wer leistet sich Wohnungseigentum für schlappe 8 000 Euro/qm – wie z.B. in den beiden eben fertiggestellten Wohntürmen „Friends“ im Eck Hirschgarten/ Friedenheimer Brücke?
Was war sonst?
Zum Thema Wohnungsspekulation: wir haben nachgefragt, wie es sich mit dem Verkauf der GBW durch die Bayern LB an das merkwürdige Investorenkonglomerat Patrizia verhielt, denn nun musste die Stadt für mehrere hundert Mio. Euro die Wohnungen einzeln aufkaufen.
Zum Thema „Innere Sicherheit“, wo im Schlepptau angeblicher Terror-Bekämpfung einer Militarisierung im Innern betrieben wird, haben wir nachgefragt, in wie weit die Stadt in die gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr im November mit einbezogen ist.
Als die Einzigen im Stadtrat nahmen wir den Beginn des neuen Ausbildungsjahrs im September zum Anlass, um nach dem Verbleib der Abbrecher aus den Vorjahren zu fragen. Überhaupt: Berufliche Bildung und Arbeit, das scheint sonst niemanden wirklich zu interessieren. Wir fragten nach, ob sich nicht das städtische Pädagogische Institut in der pädagogischen Weiterbildung auch der betrieblichen Ausbilder engagieren könnte, ob entsprechende Angebote auch für die Meisterausbildung geschaffen werden könnten. Und schließlich wollten wir in einer weiteren Anfrage wissen, was denn Kenntnisstand der Stadt über die Auswirkungen von „Arbeit 4.0“ sei, wie die entsprechende Qualifizierung gerade der besonders betroffenen Menschen – gleich ob noch in Arbeit oder schon in der Arbeitslosigkeit – angepackt werde und wie schließlich die Berufsschullehrer auf den Stand der Technik und der didaktischen Anforderungen gebracht werden können. Die Antworten stehen größtenteils noch aus.
Als sich das Finanzierungsdesaster beim zweiten Tieftunnel für die Stammstrecke andeutete, haben wir gemeinsam mit der ÖDP gefordert, dieses Kapitel endgültig zu schließen und stattdessen einen forcierten Ausbau des Trambahn-Netzes anzustreben.
Gesundheit – auch für d´Leit:
Und schließlich das Dauerthema Städtisches Klinikum (StKM), das bezeichnenderweise im Finanzausschuss vorberaten wird – der Gesundheitsausschuss muss sich mit allerlei Präventionsmaßnahmen (auch wichtig) „begnügen“! Beim StKM wird geplant und gebaut, im besonders betroffenen Klinikum Schwabing ist die neue Kinderklinik schon nach heutigem Bedarf zu klein, die Umzüge nach Bogenhausen verzögern sich, weil sich auch dort vieles verzögert. Als es um den Abbau von ca. 600 Stellen in Verwaltung und Technik ging, konnte eine Qualifizierungsgesellschaft durchgesetzt werden – angesichts einer Stadtverwaltung mit 30 000 Beschäftigte eher ein Witz – und in der Tat, bis auf einen Rest von vielleicht noch 30 Betroffenen konnte für alle eine andere Lösung gefunden werden. Als die Initiative BuMS („Bürger für unser Münchner Klinikum“) vor dem Schwabinger Klinikum im Oktober protestierte, flankierten wir diese Aktion mit einer Anfrage zur merkwürdigen Personalpolitik! Und das neue Jahr wurde gesundheitspolitisch gleich mit einem Antrag zum Ausbau „Arzt in der Schule“ eröffnet.
Fazit:
In den meisten Problemlagen – aber in den beschriebenen Wohnungsfragen besonders deutlich – stößt Stadtratsarbeit schnell an seine Grenzen – und eine Partei wie die LINKE ist gefragt, neue politische Rahmenbedingungen einzufordern!
23.12.16, Jürgen Lohmüller