von Karl Ischinger, DIE LINKE. München
Seit Sonntag, dem 24. Mai ist in vielen spanischen Kommunen und Regionen nichts mehr wie es einmal war. Absolute Mehrheiten in den Regionen, sei es vom Partido Popular (auf Deutsch CDU) oder PSOE (auf Deutsch SPD) – alle perdu. Nur noch in einigen kleineren Rathäusern gibt es sie noch, Sedimentablagerungen aus vergangener Zeit.
In den meisten Regionen braucht der PSOE Hilfe, zumeist von PODEMOS, der neuen linken Bewegung, dem großen Sieger dieser Wahlen. Denn es hat nicht nur der PP kräftig verloren, auch der PSOE hat bezahlt für Korruption und Opportunismus. Der Erfolg von PODEMOS – drittstärkste Kraft im Lande – ist umso höher zu bewerten, als es nach dem raketenhaften Schnellstart nicht so einfach war, all die Kräfte beisammen zu halten. Die Mühen der Gebirge, sprich: die Gründung, das Zusammenraufen waren bewältigt, die Mühen der Ebenen, sprich: die Konsolidierung, der Alltag, mussten noch überwunden werden. Dass dies gelungen ist, ist eigentlich das Schönste an diesen Wahlen.
Herausragende und von kaum jemand erwartete Ergebnisse: Ada Colau von „Barcelona en comu“ ist neue Bürgermeisterin von Barcelona, Manuela Carmena von „Ahora Madrid“ wahrscheinliche neue Bürgermeisterin von Madrid. Damit wären die beiden wichtigsten Städte Spaniens in linker Obhut. In beiden Bewegungen fanden sich linke Gruppen und Grüppchen, Hausbesetzerszene – Ada Colau in Barcelona kommt aus ihr hervor -, Gewerkschaftsinitiativen, ökologische und Regenbogenformationen zusammen.
In meinen Augen noch wichtiger, weil symbolträchtig für die Zukunft: die Siege in Galicia. Santiago de Compostela, die Landeshauptstadt A Coruña und Ferrol werden linke Bürgermeister bekommen.
„Marea Atlantica“, eine Sammlungsbewegung mit einem Dutzend außerparlamentarischer Gruppierungen von „Eco“ bis zu „Esquerda Unida“ und „PODEMOS“ hat mit einem fantasievollen Wahlkampf ohne viel Geldmittel, aber mit unglaublichem persönlichen Einsatz die Etablierten aufgerollt, dass es eine Freude war. Gemeinsamer Nenner: Demokratische Partizipation, Soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit; keine Dogmen, keine Katechismen, keine rechthaberischen Ideologien.
Nun liegt es dort, wo es weder die neue Linke noch der PSOE alleine geschafft hat, an der spanischen Sozialdemokratie, ob sie einen tatsächlichen Wandel will, ob sie mit den neuen linken Sammlungsbewegungen als Junior- oder als Seniorpartner dafür sorgen will, dass die alten, korrumpierten, dem Franquismus entstammenden Strukturen endlich auf dem sie sehnlichst erwartenden Misthaufen der Geschichte landen. Und nach den ersten Verlautbarungen macht der PSOE dieses eine Mal nicht das, was die deutsche Sozialdemokratie mit am besten kann: links blinken und rechts abbiegen. Sollte der PSOE gelernt haben, dass nur in Bündnissen mit den fortschrittlichen, linken Kräften das gelingen kann, was er (und die SPD) als soziale Demokratie bezeichnet, dann kann im Erfolgsfalle sogar unsere SPD sich mal überlegen, ob sie das nächste Jahrhundert als Oberkellner der CDU zubringt, oder ob sie sich mal aufschwingt, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein.