von Florian Pollok, DIE LINKE. München
Viele in meinem Umfeld fragten mich die letzten Tage, ob denn das nicht rückständig sei, wenn DIE LINKE. sich der Erweiterung von Öffnungszeiten im Einzelhandel versperrt. Schließlich sei es in anderen Ländern Gang und Gäbe, dass man auch sonntags einkaufen könne, beispielsweise in Italien und in Spanien. In Zeiten von Onlinehandel – Zalando und Co. ließen grüßen – sei es doch auch so schon möglich rund um die Uhr einzukaufen, das Netz kenne schließlich keine Öffnungszeiten. Und schließlich solle man den Bürger ja auch nicht bevormunden.
Nun denn. Der Logik nach müssten auch die Banken rund um die Uhr geöffnet haben, denn Online-Banking ist auch jederzeit möglich. Ebenso müsste in vielen weiteren Branchen ein Dauerzugang errichtet werden. Im Grunde wäre die ganze Gesellschaft betroffen. Denn jeder/jede fände es wohl bequemer, wenn zu jeder Zeit an allen Orten alles das gerade möglich wäre, was gerade notwendig ist. Wenn es denn überhaupt notwendig ist. Denn alles das hat seinen Preis. Den zahlen zwar nicht immer die Nutznießer/-innen, aber irgendwer bezahlt den Preis.
>>BILLIG WAR CHIC<<
Schauen wir doch mal, wie das im Einzelhandel ist. Bereits jetzt lässt sich ein Trend hin von „immer billiger“ zu „ordentliche Ware hat ihren Preis“ erkennen. Zum Glück. „Geiz ist geil“ gilt nicht mehr so. Viele denken um. Gut so. Doch jahrelang war das Motto eines Elektronikriesen scheinbar zum Leitspruch der gesamten Gesellschaft geworden. Billig war chic. Das fand bereits mit der Discountisierung von Lebensmitteln im Ruhrgebiet seinen Anfang. Die Brüder Albrecht verstanden es sehr früh durch Großkäufe billiger anbieten zu können. Aber auch einkaufen konnten die Brüder Albrecht so billiger und somit letztlich den Herstellern die Preise diktieren. Viele zahlen so drauf. Albrecht Discount – Aldi war da Vorreiter und ist gemeinsam mit Lidl und Co. an der Spitze in billig. Nirgendwo sonst zahlt man in Europa so niedrige Preise für die Ernährung, wie in Deutschland. Noch nicht. Denn Aldi und Co. expandieren. Dennoch könnte es manchen Menschen nach immer noch günstiger sein. Zugegeben, für viele auch, weil sie sich andere Lebensmittel nicht leisten können. Aber auch das ist Auswirkung dieses Billig-Prinzips. Denn wie Bert Brecht bereits so schön sagte: >>Reicher Mann und armer Mann standen da und sah´n sich an. Und der Arme sagte bleich: ‚Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich.'<< Wie wahr.
Die Zunahme von immer billiger werdender Dienstleistung und Ware hat dazu geführt, dass auch die hierfür notwendige Arbeit billiger bezahlt wird. Outsourcing, Leiharbeit, Prekäre Beschäftigung und alle anderen Formen von Lohndumping sind Folgen dieses Wettbewerbs, dieses Konkurrierens um den billigsten Anbieter. Aber nicht nur die Arbeit hier wurde billiger, sondern die gesamte Arbeit in der Wertschöpfungskette. Von der Produktion am anderen Ende des Planeten über die (Lager)logistik hin zum Transport in unsere schöne Welt. Eine richtige Lohnspirale nach unten und kein Ende in Sicht. Auch nicht mit dem „Flicken-Mindestlohn“. Bereits jetzt ist für viele Armut in unserer reichen Gesellschaft die Normalität. Und auch die Armut in anderen Ländern nimmt zu. Mitunter wegen unseres Einkaufsverhaltens.
Doch ist billig immer gleich billig? Man will günstigste Lebensmittel kaufen. Zugleich regt man sich aber auf. Über Chlorhühnchen, Gammel-Fleisch und Pferde-Lasagne. Allergien wegen Zusatzstoffen im Essen sind mittlerweile Normalität. Adipositas und Diabetes sind wegen des übermäßigen billigen Zuckerkonsums eine Volkskrankheit und dass die Auswirkungen des Verzehrs von Gen-Tomaten eventuell langfristige Folgen für den Menschen haben könnten wird gerade erst erforscht. Ist also billig wirklich billig, wenn es einem letztlich teuer zu stehen kommt? Wenn es uns teuer zu stehen kommt? Wem nutzt das also? Ist es billig, wenn der Verkäufer immer weniger bezahlt bekommt, damit ich eine um 2 Cent billigere Tomate bekomme, die ich über die Aufstockung seines Gehaltes sowieso wieder draufzahle? Und letztlich sogar mehr bezahle, weil der Staat wegen der vielen Aufstocker seinen infrastrukturellen Aufgaben nicht mehr nachkommen kann und ich so beispielsweise übermäßige Kita-Gebühren zahle. Wo wir doch wissen, dass auch die Kita-Beschäftigten niedrig bezahlt werden. Schlaglochsteuern sind im Gespräch, und wieso nicht auch künftig für den Verbrauch von Luft bezahlen, schließlich müssen hierfür Bäume in der Stadt gepflanzt werden?!?
>>NACHHALTIGKEIT IST DER ZEITGEIST!<<
Unternehmen verstehen dieses „Linke Tasche – Rechte-Tasche-Spiel“ sehr gut. Soll heißen, sie fahren Gewinne ein und sozialisieren Verluste. Das Prinzip geht also nur für wenige auf. Zum Beispiel für die Familie Albrecht. Die Meisten bleiben auf der Strecke. Beim Billig-Hemd die Näherin in Bangladesh, bei der günstigen Banane der Pflücker in Kolumbien. Und ebenso viele weitere im Produktions-/Verkaufsprozess beteiligte. Viele erkennen das mittlerweile. Auch Dank der Arbeit der LINKEN. Groß und klein geschrieben. Ein Umdenken findet statt und zwingt die Konzerne ihrerseits immer mehr zum Umdenken. Weil die Nachfrage nach fairen Produkten steigt. Nachhaltigkeit ist der Zeitgeist!
Doch wie ist das mit der Nachfrage nach fairen Öffnungszeiten? Wem nutzen längere Öffnungszeiten? Haben die Leute soviel Geld, dass sie nun auch am Sonntag immer einkaufen müssen? Ist das der Grund, weshalb der Innenstadthandel länger öffnen will? Muss man jedes Produkt auch am Sonntag kaufen können? Ist es wirklich ein Mehrwert, wie Union und SPD behaupten, wenn man zum Stadtgründungsfest Unterhosen kaufen kann? Ja, Unterhosen, es geht schließlich primär nicht um Lebensmittel. Kaufhof und Co. sind hier diejenigen, die am Drücker sind. Sie spielen nun das Linke Tasche – Rechte Tasche Spiel. Sie wollen länger öffnen, denn sie können sich das leisten. Sie, die großen Handelsketten. Die Kauf- und Warenhausketten. Und die Konkurrenz, die das nicht kann, die geht über kurz oder lang kaputt. Weil jeder Cent mehr, der sonntags bei den Großen gelassen wird, am Ende den Kleinen fehlt. Die Folge ist eine Oligopolisierung des Innenstadthandels. Nur noch wenige sind da. Und die können dann die Preise heben. So dass es letztlich auch wieder teurer für alle wird. Union und SPD schaffen so den Mehrwert – wie sie sagen. Der Kapitalismus funktioniert aber doch genauso, sagen da bestimmt einige. Ja, mag sein. Aber eine Gesellschaft hat doch auch andere Aufgaben, als Konsum.
Erschwerend hinzu kommt, dass für die Beschäftigten im Handel, immerhin 60.000 in München, die Sonntagsarbeit zur Norm werden könnte. Und eine Norm muss nicht extra bezahlt werden. Zuschläge generell spart man sich, wenn Tag und Nacht, Montag und Sonntag gleich sind. Eine Norm in der Art hätte für die Betroffenen weiterhin zur Folge: Weniger gesellschaftliche Teilhabe. Denn sonntags ticken in dieser Stadt die Uhren für den Großteil im Moment noch anders. Man hat Zeit für ein Miteinander. Zeit für Vereinsleben, für Regenerierung, für den Sonntagsbrunch mit der Familie, für den Freizeitkick im Park, für das Sonnetanken an der Isar, für die Ausübung von Religion, für die Teilhabe an der Stadtgesellschaft. Und wie es der Name Gesellschaft schon vermuten lässt, auf das Miteinander kommt es an. In einer sozialen Stadt. In unserer Stadt. Und dann verhält sich das tatsächlich so wie online. Man ist besser vernetzt. Aber real. Nicht virtuell. Unplugged. Und unplugged ist das Besondere in Zeiten von Burnout und anderen psychosomatischen Krankheiten. Unplugged ist das neue chic.
Wegen Zalando & Co.: Die braucht kein Mensch. Eine Auszeit braucht jedoch jeder Mensch. Einen Sonntag.
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Web-Tipp: Allianz für den freien Sonntag